Dauerhafte EinträgeTag 43Tag 43
Diesen Samstag wecken wir wieder ohne Wecker auf. Vorm Hotel schlagen die Autotüren. Das klingt nach großem Aufbruch. Den Lärm machen also genau jene Leute, die sich über Lärm beschweren. Am besten, wir vermieten ihnen in Zukunft, Zimmer im Keller. Den Kaffee setze ich heute an. Ich fühle mich frisch. Im Mund ist es mir etwas zu trocken. Das ist eine typische Gebirgserscheinung im Winter. Kalte Luft trocknet. Das ist die beste Zeit, Trockenfleisch in Form von Speck und Schinken herzustellen. Joana freut sich darüber, dass mir der Faden gezogen wurde. Der Anblick des Schnittes ist trotzdem ein Grund, vorsichtig zu sein. In der Küche ist es wirklich schwer und bisweilen unangebracht, Feuchtigkeit zu meiden. Ein Koch wäscht sich am Tag, rund zweihundert Mal die Hände. Bei der Bearbeitung vieler Speisen, sind die Hände auch die wichtigsten Werkzeuge. Joana hat heute Zeit, meinen Kuchen zu probieren. Sie schmatzt. Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag so ein Stück mitbringen. Schon an den vergangenen Tagen konnte ich ein Blech vom Bäcker mitbringen. Das haben die Zimmermädchen zusammen verzehrt. Kuchen darf nicht zu alt werden. Vor allem, kein sächsischer. Beim Stollen ist das genau anders herum. Der muss reifen. Ich probiere unseren bestrichenen Stollen. Fast wie zu Hause. Mit der Gebirgsbutter bestrichen, wäre der sächsische Stollen heute, unangefochtener Weltmeister. Die DDR Butter war für mich eh die beste Butter. Ich weiß nicht, was die Westbesatzer in die Butter dreschen. Von richtiger Butter ist das jedenfalls weit entfernt. Naja. Die Westbesatzer der DDR haben früher schon mehr Margarine als Butter gefressen. Das merkt man umgehend. Von einer Butterkultur können wir bei denen nicht ausgehen. Wir gehen zusammen nach Unten. Alfred sitzt bei Marlies und frühstückt. "Guten Morgen. Hat Dich die Frau rausgeschmissen?" Alfred scherzt zurück. "Mein Frau? Die ist noch nicht zurück vom Strich." Margret, unsere Chefin, sitzt schon seit Drei im Büro und schreibt Rechnungen für die Abreisen. Das ist ein unglaublicher Aufwand. Geringe Fehler bei der Eingabe in der Rezeption, können schwere Folgen bei der Abrechnung nach sich ziehen. Vor allem dann, wenn auch der Konsum mit auf Kredit erfolgte. Das gibt regelmäßig Streit bei der Abreise. Bar bezahlen will aber auch Keiner. Die Hosentasche scheint bei vielen Gästen nicht kreditfähig zu sein. Bei der Bezahlung überwiegt jedenfalls die Kreditkartenabrechnung. Traurig, aber wahr. Marlies kommt mit einem Kaffee um die Ecke und stellt ihn mir hin. "Ich hab schon einen halben Liter rein." "Na, den schaffst Du doch noch!" Den Frühstückskaffee kann ich auch nicht als gefährlich einstufen. In Sachsen lief das als Tee oder Bodensehkaffee. Wir würden den vielleicht als Muckefuck verkaufen. In der DDR gab es mal den Kaffeemix. Der schmeckte ähnlich, aber dennoch, besser. Es gibt also kaum ein DDR - Produkt, das wir nicht mit dem Westprodukten vergleichen könnten. Der Witz ist, dass es im Westen keine besseren Produkte gibt. Und das nach zwanzig Jahren Besatzungszeit. Eigentlich gehen wir bei zwanzig Jahren Entwicklungszeit davon aus, dass sich ein Produkt verbessert. Das Gegenteil ist der Fall im Westen. Und genau das ist der Hauptunterschied zur DDR und zum Sozialismus allgemein. "Ich muss los!" Alfred sagt mir, ich solle heute vorsichtig fahren, Marlies schließt sich dem Wunsch umgehend an. Die Zwei sollen Recht behalten. Schon bei der Ausfahrt stehen die ersten zwei vollgepackten Touristenkisten ineinander verhakt vor mir. Kaum bin ich auf der Hautstraße, rutscht mir ein Norddeutscher aus der Nebenstraße ins Auto. "Ich konnte das Auto nicht halten. Entschuldigung." "Darf ich eher davon ausgehen, dass sie nicht fahren können?" Seine Alte sitzt noch in dem Kasten und hält sich das Gesicht zu. SUV mit Allradantrieb. 'Mein Kotflügel ist im Arsch', denk ich mir. Ich probiere, ob er am Reifen schleift. Es geht. "Kostet zwei Mille!", sag ich dem Unfallfahrer. "Macht meine Versicherung!", ist die Antwort, die ich bei diesem Volk auch erwartet habe. "Und ich finanziere ihnen das vor? Ich zahle das Leihauto, die Werkstatt und warte, ob das ihrer Versicherung gefällt?" "So hab ich mir das gedacht." "Ich möchte den Schaden bitte sofort bezahlt haben! Wie sie das mit ihrer Versicherung abrechnen, ist ihre Sache. Wir gehen zu Alfred ins Hotel und klären das dort." Alfred sitzt noch beim Kaffee. Er ruft als Erstes den Ortsgendarm. Inzwischen rufe ich Ruth an und sage, dass ich einen Unfall habe. Ruth zischt vor Wut. "Wann kommst Du in etwa?" "Das Auto fährt noch. Nur der Trabi - Kotflügel ist geknickt und dadurch etwas angerissen." "Also bis dann!" Der Gendarm kommt sofort, nimm Alles auf und schreibt das Protokoll. Wir schrieben ins Protokoll, dass ich eine Teilanzahlung des Schadens fordere. Ich könnte sonst nicht meiner Arbeit nachgehen. Der Norddeutsche erklärt sich bereit. Er gibt Alfred die Karte, um tausend Euro abzubuchen. Die erste Karte nimmt der Kartenleser nicht an und prompt kommt eine andere. In Gold. "Da kannste ooch glei Fünftausend abbuchen mit Schmerzgeld", sage ich zu Alfred. Der Norddeutsche hustet. Seine Furie glüht knallrot vor Wut. Ich dachte, sie frisst vor Wut ihren falschen Zobelkragen. An dem knabbert sie schon die ganze Zeit rum. Joana kommt, ruft Markus, unseren Autohändler an und bestellt den neuen Kotflügel. Sie fragt, was der kostet mit Einbau und Teillackierung. "Rund drei Mille", hat er gesagt. "Wann ist der da?" "In 'ner Woche." "Alles klar. Mach uns bitte 'nen Termin." Wie sagt mer so schön? Den freien Tag verbringen wir entweder beim Arzt oder in der Werkstatt. Freizeit ist Mangelware in unseren Kreisen. Alfred sagt mir, der Unfallverursacher hat tausendfünfhundert reingedrückt. Offensichtlich hat er Mitleid mit mir. Alfred drückt mir gleich die Scheine in die Hand. Den Unfallbericht für unsere Versicherung, die mit seiner Versicherung abrechnet, hat mir Alfred kopiert. "Die Durchschläge sind nicht sicher", sagt er mir dazu. "Du kennst Dich gut aus!", antworte ich ihm. "In Touristenhochburgen gehört das zum Tagesgeschäft. " Er lacht. Ich gebe Joana das Geld mit. Wenn mir unterwegs noch etwas passiert, kommt das sicher weg. Ich laufe zu unseren Autos und fotografiere das Ganze noch mehrmals. Vor allem, mit sämtlichen Verkehrsschildern und Bremswegen. Nach der Feststellung, fahre ich nun endlich los zu meiner Arbeit. Inzwischen haben sich ein paar Schaulustige eingefunden, die rege den Unfallhergang diskutieren. Witzigerweise brennt das Licht noch. Die Motorhaube sitzt fest aber nicht an ihrem ursprünglichen Fleck. Ich denke, mit den Nebenschäden, auch an den unentdeckten Stellen, wird das Ganze erheblich teurer. Die Bremsen funktionieren aber erst mal. An der Schweizer Abfahrt vor Pfunds steht eine Autoschlange. Nicht in Richtung Schweiz, sondern in Richtung Pfunds. Es könnte sein, dass die auch in Richtung Samnaun wollen. Es sind italienische Nummern dabei. Auch in der Einfahrt Samnaun steht Alles. Wahrscheinlich wollen Viele noch mal Etwas einkaufen auf dem Nachhauseweg. Der Verkehr läuft zähfließend aber er steht nicht. Nach einer knappen Stunde stehe ich vor der Wahl, durch den Tunnel oder durch die Stadt Landeck zu fahren. Die Stadt hat gewonnen. Den Schleichweg muss ich heute nicht nutzen. Bereits am Stadtausgang sehe ich einen Stau. Den Stau kenne ich mittlerweile. Der ist dort jeden Tag. Das hängt das mit der Autobahnauffahrt zusammen. Die Landecker werden diese Straße hassen. Ihnen geht es wie uns. An der Abfahrt Paznauntal stehen wieder die Gendarmen. Die haben gerade ein paar Autos in der Mache. Bei den fälligen Ordnungsgeldern müssen die Gendarmen öfter arbeiten als unsere Polizia Stradale. Ein Ordnungsgeld bei uns, bringt leicht das Zehnfache. Ein Gendarm erkennt mich, grüßt und winkt mich an dem Stau vorbei. Dem hat sicher mein Essen beim Wolfgang geschmeckt. Ich bedanke mich artig, grüße zurück und kann mich in die Schlange in Richtung Paznauntal einordnen. Das spart mir schon mal zehn Minuten. Bekanntlich, haben Urlauber keine Zeit. Bis zum Wolfgang allein, brauche ich eine Stunde. Maria steht nicht draußen. Ich halte nicht an. Von dort nach Galtür, benötige ich noch mal eine Stunde. Das Frühstück ist damit verpasst. Ich freue mich schon auf den Frühstückskaffee. Karin steht mit Emil vor der Tür und raucht. Am Wochenende ist auch wieder mal Karin da. Eine hübsche Frau. Rudi zieht wieder die Spur und die Zwei scheinen das zu beobachten. In der Loipe ist schon ganz schön Viel los. Rudi muss gelegentlich hupen. Emil sagt mir: "Heute wird nicht viel." Er könnte Recht haben. Samstag war bei uns immer Wechsel. Die Neuen laufen etwas, duschen, gehen zum Abendmenü und verschwinden auf den Zimmern. Restaurants haben kaum etwas von dem Geschäft. Die Einheimischen arbeiten noch und kommen eher am Sonntag. Rolf und die anderen Fahrdienste, fahren samstags nicht zu den Pisten. Am Samstag besteht die Möglichkeit, einigen Kollegen frei zu geben. Angesichts der Staus überall, scheint das Keiner zu wollen. Es sei denn, unter unseren Kollegen sind Wintersportliebhaber. Danka und Jan sind die angesprochenen Liebhaber. Sie lieben alpinen Skisport. Beide kommen zu ihrer Saison mit einem Lieferauto. Auf der Heimfahrt sammelt Jan die gebrauchten, ausrangierten Ski von den Verleihern ein und verkauft die zu Hause. Jan fährt auch bei den Hotels vorbei. Dort lassen die Gäste ihre alten Ski einfach stehen. Der übliche westdeutsche Müllexport eben. Bei einem Neukauf sind natürlich die Entsorgungskosten für die alten Ski erdrückend. Die zehn Euro müssen unbedingt eingespart werden. Dafür bekommt ein deutscher Skitourist immerhin eine Flasche Bier an der Piste. Das Bier ist wichtiger. Emil sagt mir heute von allein, wie viel Kuchen sie verkauft haben. Reichlich. Für den Sonntag backe ich ihm zwei Bleche. Eierschecke wäre besonders beliebt. Ein halbes Blech mach ich klassisch und die andere Hälfte mit Kirschen. Auf dem anderen Blech backe ich einen gedeckten Apfelkuchen und, der Versuch ist es wert, einen Pflaumenkuchen. Für den Apfelkuchen reibe ich die Äpfel und binde die mit Bisquit, etwas Mehl und Ei. Für die Decke nutze ich die Eierdecke der Schecke und würze die mit Zimt und Nelke. Die Decke färbt sich dadurch etwas brauner. In die Pflaumen und Äpfel gebe ich natürlich Rum. Martin ruft, "Nicht so viel. Das essen auch Kinder." Ich merke, dass selbst Profis von Schauergeschichten in deutschen Medien verrückt gemacht werden. Darum mal ganz kurz zum Mitschreiben. Alkohol verdampft beim Backen. Aus Schokolade, Pralinen, Konfitüren und Glasuren, verdampft Alkohol natürlich nicht. Es gibt genug Speisen, in denen Alkohol verarbeitet wird ohne dass sie gekocht werden. Ich würde mich da nicht unbedingt an einem Stück Kuchen oder Strudel aufziehen. Wobei ich festhalten möchte, dass der Alkohol im Strudel, sicher nicht verfliegt. Dafür werden die Kinder nach dem Strudelgenuss etwas ruhiger. Zu Mittag haben wir ein paar Extrawünsche zu bekochen. Es gibt schon Gäste, die nutzen kundenarme Zeiten aus. Bisweilen endet das in sadistischen Ausmaßen. Wenn vier Gäste, pro Kopf, vier Allergien angeben, sind wir bei sechzehn Einzelgerichten. So viele Flammen und Kochstellen haben nicht einmal Großküchen. Wir bemerken, dass Allergien auch auf die Gehirnwindungen wirken. Rechnen wird dabei oft zur Hauptallergie. Martin macht das wie ich. Er schickt die Gäste ins Landecker Krankenhaus. Karin ist in der Beziehung wie Martin. Martin schickt mich nach Hause und gibt mir etwas Geld in die Hand. Es ist bedeutend weniger als gestern. Er sagt, ich soll die Finger nicht spreizen, weil es sonst ganz weg ist. Das breite Lachen dazu, zeigt etwas Schadenfreude. Die Straße nach Kappl ist ist fast autofrei. Ohne Schnee, könnte man schon mal Einhundert probieren. Gendarmen sind keine mehr zu sehen. Die Tankstelle im Ort ist leer. Maria steht nicht vor dem Hotel. Im Hotel merke ich warum. Es gibt Probleme mit den Zimmern der Anreisenden. Man streitet wie üblich. Das Geschacher um die Preise hat bei Deutschen, System. Heute herrscht aber genug Nachfrage. Maria fragt die Gäste, ob sie bleiben möchten. Sie haben das Zimmer gebucht. Das ist praktisch ein Rausschmissangebot. Die besoffene Tante die sich so über das schöne, neu gebaute Zimmer beklagte, wurde ruhig. Kein Bonus. Im Fahrstuhl jaulte die Kreatur wieder. Maria geht mit in die Küche. Die Jungs sind alle da. Samstag Abend kommen auch viele Einheimische. Zolt hat einen Hirschbraten als Tagesgericht gekocht. Samstags gehen vor allem auch die typischen Tiroler Gerichte aus Innereien. Touristen mögen das seltener. Denke ich an Beuchel oder an Blutwurstsackerl, sehe ich vor Ekel verzogene Frauengrimassen. Komisch. Als Wurst mit einem Haufen Nitritsalz, essen sie das eher. Zolt sagt, er braucht mich nicht. Es ist Alles vorbereitet. Ich bedanke mich bei ihm für den freien Tag. Markus ist auch da und wie ich sehe, will der mitkochen. Maria führt mich vors Haus, gibt mir zehn Euro und bedankt sich. "Wenn ich Dich brauche, rufe ich an." Das ist im Grunde die Freistellung, die mir das Nachfragen erspart. Sie gibt mir zwei Gläser Leberwurst mit, die Wolfgang gemacht hat. Die Fahrt nach Nauders ist ziemlich einsam. Ich könnte heute Gas geben. Leider wackelt mein rechter Radkasten. Er droht sich zu lösen bei höheren Geschwindigkeiten. Ab achtzig Stundenkilometern wird das Geräusch ziemlich lästig. Joana ist überrascht, dass ich schon da bin. Sie hat erst abends mit mir gerechnet. Neben dem Kuchen, können wir zum Abendbrot auch noch die Leberwurst von Wolfgang probieren. Verhungern können wir nicht so schnell. Mit dem Auto verzichten wir auf eine Heimreise. Das wäre zu riskant. Mittlerweile gibt es Anzeigen aus Südtirol. Die werde ich mal mit beantworten und Bewerbungen absetzen. Vorstellungen haben aber erst Sinn, wenn das Auto wieder läuft.
Geschrieben von BeyerKH
in Zweiter Monat
am
Dienstag, 5. Januar 2021 05:54
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Tag 42Tag 42
Freitag und Montag sind die zwei Tage mit der höchsten Verkehrsbewegung bei den Einheimischen. Mit dieser Erkenntnis wecke ich auf am Freitag. Irgendwie wirkt das sogar auf den Kaffeegeschmack oder besser gesagt, auf den Appetit. Joana nimmt sich heute etwas mehr Zeit für unser Frühstückstreffen. Sie sagt mir, "Heute sind massenhaft Abreisen." "Das wird wieder ein schönes Chaos auf dem Arbeitsweg geben. Ich komme heute wahrscheinlich etwas später. Wolfgang braucht mich. Er ist krank. Heut früh muss ich noch beim Dok vorbei, den Verband wechseln und den Faden ziehen." "Tut es noch weh?" "Überhaut nicht. Mich wundert das auch. Es juckt eher. Trotzdem sieht es irgendwie schlimm aus." "Die Kaminwurzn ist wohl für uns?" "Die ist vom Hirsch." "Oh; eine ess ich jetzt gleich." "Ist der Stollen schon schön fett oder muss ich den noch mal bestreichen?" "Der ist gut. Ich hab Ahu und ihren Kolleginnen welchen gegeben. Marco hat auch probiert." Wir brechen zusammen auf. Joana geht gleich in die Zimmer der Abreisen. Zuerst wird kontrolliert, ob die Trinkgeld da gelassen haben. Im Foyer steht Alfred und fragt, wie es Wolfgang geht. "Er richtet schöne Grüße aus. Er sieht nicht gut aus. Ich schätze, eine Woche wird das dauern." "Grippe?" "Alfred. Ich bin Koch. Ich weiß es nicht." Alfred lacht. "Köche werden ja auch nicht krank." Ich schätze, er bezieht sich auf Marco. Mich kennt er ja nicht so genau. Im Ort sieht es aus wie ein Generalaufbruch. An jeder Ecke stehen Autos und laufen warm. Einige stehen im totalen Nebel. Die haben eine Extraheizung. Man könnte leicht denken, die brennen. Dabei produzieren sie nur Schnee. Noch mehr Schnee, so zusagen. Ich glaube fast, dass ich heute extra vorsichtig fahren muss. Bei dem Aufkommen an Flachländlern. Ich sehe reichlich holländische und auch Norddeutsche Kennzeichen. Berge und deren Tücken sind denen unbekannt. Sie glauben eher, das mit einem SUV meistern zu können. Ein gewaltiger Irrtum. Jetzt mal ehrlich. Im Schnee und im Winter fuhr der Trabant am besten. Kein anderes Auto. Soviel Vorsprung durch Technik hatte der DDR Trabant aus Zwickau. Ein Produkt der Sparsamkeit. Von Kommunisten auch noch. Den Reschen runter bekomme ich schon die besten Eindrücke vom Fahrkönnen unserer nördlichen Gäste. Einer klebt in den Steinen und der Andere, sein Gegenpart, an der äußeren Begrenzungsmauer. Dem sein Hoseninneres möchte ich jetzt nicht sehen und riechen. Nochzumal, der extra hoch sitzt in seinem SUV. Sozusagen; freie Flugbahn für die Brechreizergebnisse. Ich verliere da schon mal zehn Minuten. Wenn sich das so addiert, kann ich den Verbandswechsel schon während meiner Arbeitszeit einplanen. Bis nach Landeck läuft Alles recht glatt und ich komme gut zum Doktor. Der türkische Imbissbesitzer grüßt. "Ich komme nach dem Dok zu Dir", antworte ich ihm. Beim Doktor erwartet ich eine andere Sprechstundenhilfe. Eine Slowakin. Die einheimische Schwester ist im Urlaub. Die Schwester ruft den Arzt. Er grüßt mich und bittet mich ins Behandlungszimmer. Nach dem Öffnen des Verbandes verzieht sich sein Gesicht etwas. "Sie wollten nicht arbeiten! Ich rieche ja die Schnitzel und Pommes!" "Doktor. Zehn Tage nichts tun, kostet mich, zehn Kilo Übergewicht." "So schlimm ist das?" "Aber sicher!" "Ich drück mal ein Auge zu. Wir können heute die Fäden ziehen. Brauchen sie dafür eine Betäubung?" "Ich weiß nicht, wie Sie zu Werke gehen. Tut es weh? Ich muss noch fahren." "Auf Arbeit?" "Das kann ich erst nach der Behandlung entscheiden. Wo ist denn die hübsche Schwester?" "Im Urlaub. Die Schwester vorn, hat mir ein Kollege geliehen." "Ein beachtliches Leihgut." "Oh ja!" "Geht es ohne Faden? Was sagen Sie als Arzt?" "Sie müssen vorsichtig sein, dass es nicht aufbricht. Sind Sie Raucher? Es ist relativ schnell geheilt." "Ich rauche schon. Aber nicht nur Tabak." "Haschisch?" "Wo denken Sie hin. Ich bin ein armer Prolet. Ich kann mir weder den teuren Tabak noch andere Drogen leisten." "Was rauchen Sie dann?" "Naja. Ich sammle paar Kräuter, Weinblätter und so, trockne, fermentiere, schneide das und mische es unter den Tabak." "Das schmeckt?" "Mir reichts. Ich muss nur noch für zehn Euro, Tabak kaufen im Monat." "Beachtlich. Ich zahle mehr für Tabak." "Ich habe mit den Zigaretten, die mir ungeraucht abbrennen auf Arbeit, leicht zweihundert Euro pro Monat gedrückt." "Das zahle ich auch." "Ich rolle mir jetzt die Zigaretten und drehe mir dort, zwei Baumwollfilter rein. Das funktioniert gut." "Das muss ich mir mal überlegen." "Ich bin oben in Galtür bei Ruth und Martin für ein paar Stunden am Tag." "Dort laufe ich am Wochenende lang. Ich komme vorbei." "Tschüs. Wir sehen uns." Am Imbiss hält mir der türkische Kollege ein Panino vor die Nase. Es duftet. "Probier mal!" "Mach mir bitte einen großen Kaffee dazu." "Und? Wie iss' er?" "Das ist das beste Hacksteak, das ich je gegessen habe. Deine Sauce, das Fleisch und das Brot... . Du hast Kalb und Lamm gemischt!" "Mei! Du schmeckst das raus?" "In dem Fall schon. Du hast extrem frisches Lamm benutzt. Keine Gefrier- oder Vakuumware. Das schmeckt fast wie Kalb und passt sehr gut damit zusammen." "Du kennst Dich aus." "Woll' mer hoffen, das Du heute und morgen das Lamm verkaufst." "Keine Sorge. Morgen ist es verkauft." "Was willst Du haben für den guten Kaffee und den exzellenten Hack?" "Nichts!" "Nehm das Trinkgeld! Das ist heilig!" Ich gebe ihm zehn Euro, bedanke und verabschiede mich. Das Paznauntal hinauf ist Chaos. Alles steht. Schon an der Autobahnabfahrt geht es los. Ich rufe Ruth an und sag ihr das. Ruth sieht das extrem ruhig. "Kuchen haben wir genug. Wo stehst Du?" "Schon unten an der Autobahnabfahrt." "Ich sag es den Jungs. Wir brauchen heute reichlich Vorbereitung." "Bis dann." Es geht gerade weiter. Wahrscheinlich wurde der Stau durch eine Kontrolle verursacht. Am Rand stehen wieder sechs - acht Fahrzeuge mit deutschen und holländischen Nummern. Die haben sich berührt, sehe ich gerade. Bis Kappl geht es zäh aber fließend. Die Holländer werden weniger. Kappl ist fest in holländischer Hand. Maria steht an der Tür und winkt mich rein. Ich kann nur in die Tiefgarage fahren. Vorm Hotel der Parkplatz ist voll. Wolfgang ist Unten. Er grüßt mich. "Wie geht's Dir? Du siehst besser aus. Ich war gerade Fäden ziehen; schau." "Mir geht's nicht besser. Ich muss wieder hoch ins Bett." "Ich komme heute wahrscheinlich etwas später." "Iss gut. Bis dann." Ich schaue kurz zu den Jungs in die Küche. Zolt wirkt ruhig. Er grüßt kurz und sagt, er hat zu tun. Maria begleitet mich bis in die Garage. "Komm noch mal heute Nachmittag. Wir sehen dann, was fehlt." Kaum bin ich aus der Garage, versuche ich mich in die Autoschlange einzureihen. Selbstverständlich verhindern das die Skitouristen. Es dauert glatte zehn Minuten, ehe mir ein italienischer Landsmann, Platz lässt. Bis Ischgl brauche ich von Kappl aus, eine geschlagene Stunde und bis Galtür, fast zwei. Damit bin ich bei Ruth mit einer und einer halben Stunde zu spät. Das Frühstück ist schon mal vorbei. Sara stellt mir eine Kanne Kaffee vom Frühstücksservice hin und wünscht mir guten Appetit. Dabei lächelt sie etwas schräg. Der Frühstückskaffee für Hausgäste wird allgemein etwas dünn gekocht. Das ist ein typisches Produkt dieser Einstellung. Diese Brühe haben auch dort westdeutsche Touristen eingeführt. Die Frühstücksbedienungen wurden permanent schikaniert wegen angeblich zu starkem Kaffee. "Sind die Kuchen gestern alle geworden?" "Nein", antwortet Emil, "wir haben ein und ein halbes Blech verkauft." "Das sind umgerechnet, drei Eineintel Gastronorm. Ich backe heute zwei Backbleche dazu. Was ging denn am besten?" "Der Heidelbeer- und Kirmeskuchen. Die sind beide fertig." "Heidelbeeren sind noch da?" "Aber sicher. Kirschen haben wir auch neu bekommen." "Wie viele Schnitzel braucht Ihr heute. Dreihundert?" "Ganz sicher! Schneid' mal Vierhundert und paniere zweihundert." Emil ist mein bester Ratgeber. Zum Anreisetag ist eigentlich keine so große Menge notwendig. Aber das reguliert Emil schon recht zuverlässig. Ich schätze, er gibt Mailänder Schnitzel auch zum Abendmenü. Zuerst stelle ich die Kuchen her und während der Backzeit, schneide ich den Jungs die Schnitzel. Ausgeben muss ich nicht mit. Es ist bis jetzt, relativ wenig los. Zur Mittagspause komme ich trotzdem nicht. Ich arbeite durch, weil ich noch zu Wolfgang möchte. Das Mittagsgeschäft ist für mich zu Ende. Die Familie verabschiedet sich von mir und Ruth gibt mir heute das Geld. Ruth ist etwas sparsamer als Martin. Ich frage Ruth, ob ich meiner Joana ein Stück Kuchen mitnehmen darf. Ruth schneidet mir den ab. Vom frischen. Soll ich jetzt rückwärts durch die Tür gehen? Ich bedanke mich herzlich und Ruth sagt: "Es gibt nix zu Danken!" In solchen Situationen weiß ich nicht, was ich tun soll. Im Grunde stehe ich als Schuldner da und habe nichts zu sagen. Mir bleiben die restlichen Worte im Hals stecken und ich verschwinde mit einem trockenen "Auf Wiedersehen." Bergab in Richtung Kappl ist kaum Betrieb. Ich bin auch zu zeitig. Vor Wolfgangs Gasthof sind ein paar Parkplätze frei. Ich gehe ins Haus und dort herrscht schon fast Totenstille. Keiner ist zu sehen. Garbor kommt. Er trägt Abfall. Ich helfe ihm. Der Kübel ist sauschwer. Garbor ist ein dünner Mann. Er kommt aus der Puszta. Die Eltern haben dort eine kleine Landwirtschaft. Von der können sie heutzutage nicht mehr leben. Im Sozialismus war das besser. Ich frage Garbor, ob die Jungs Alles vorbereitet haben. Er nickt. Ich gehen trotzdem mal reinschauen. Die Bain Maries stehen schon. Alle sind gefüllt und angesteckt. Über den Brühansatz muss ich lachen. Ich hatte Wolfgang mal empfohlen, den auch in der Bain Marie zu machen. Dort wird die Brühe schön klar und bleibt auch so. Wolfgang hat zwei Bain Maries mit Brühe zu stehen. Wolfgang kommt im Trainingsanzug. "Wie seht es aus?", fragt er mich. "Spitze!", antworte ich ihm. "Zolt macht das sehr gut!" "In ein paar Minuten kommt ein Bus zum Kaffeetrinken." "Rolf aus dem Kaunertal?" "Den kennst du auch?" "Ja. Ich bin sogar noch bei ihm angestellt. Auf Abruf, schätze ich." "Dann bist Du wenigstens versichert. Ruth hat Dich sicher nicht extra angemeldet." "Na gut, dass ich das endlich mal erfahre." "Willst Du noch bis zur Ausgabe bleiben?" "Wann kommt denn Zolt zurück?" Rolf schaut auf die Uhr und sagt: "Die Tür müsste jetzt aufgehen." Ich muss lachen, weil Zolt schon hinter Wolfgang steht. Zolt sagt mir, dass sie mich nicht brauchen. Die Neuen kommen gut zurecht. Wir trinken noch einen Kaffee, den ich wirklich fast schon brauche. Ich bin müde. Von der dünnen Brühe bei Ruth bin ich eher müder geworden statt wach. "Sag Maria einen schönen Gruß. Ich muss los. " Zolt verspricht mir das und Wolfgang gießt sich ein Bier ein. Wolfgang wird sich freuen, endlich mal Bier trinken zu können, ohne Nachteile fürchten zu müssen. Bis Landeck ist relativ wenig Verkehr. Im Tunnel staut es und ich umfahre den durch die Stadt. Auf der Umgehungsstraße ist etwas Werksverkehr. Bei der Auffahrt nach dem Tunnel in Fließ, wurde der Verkehr ziemlich zäh. Fließ ist der Geburtsort von dem Pfarrer Neururer, der im Buchenwald kopfüber an den Füßen bis zu seinem Tod aufgehangen wurde. Bei unseren Schülerbesuchen in Buchenwald durften wir das lernen. Gerade im Alpenraum gibt es viele Menschen, die dem Hitlerregime etwas nachhängen, gern hinter Kreuzen marschieren und leider, diesen aufrichtigen Mann und seine Mörder vergessen. Viele Reichswehrsoldaten, die den Krieg und damit auch ihre Verbrechen überlebt haben, bekommen heute von Hitlers Nachfolgern eine üppige Rente. In der DDR gab es das nur für Menschen, die auch wirklich gegen dieses Regime gekämpft und Opfer gebracht haben. Man fragt sich, ob die Angehörigen des Priesters Neururer in der DDR besser gelebt hätten als hierzulande. Bis Prutz läuft der Verkehr zäh. Danach scheint sich etwas Lockerung abzuzeichnen. Ab der Ausfahrt in Richtung Serfaus, geht es zügig voran. In meine Richtung fahren ein paar Holländer und Deutsche mit. Vereinzelt sehe ich italienische Landsleute. Vorm Hotel in Nauders steht Dursun. Er wartet auf Gäste, um sich ein paar Cent Trinkgeld zu verdienen. Dursun hilft beim Verstauen der Ski und trägt sie auch in den Skikeller herunter. Er grüßt mich freundlich und sagt, dass Joana noch Unten sei. Mit Unten meint er sicher die Wäscherei. Alfred bestätigt das und zeigt mir den Weg. Die Mädels stehen unten und ziehen gerade die Wäsche durch die Bügelmaschine. Mira zeigt mir wieder ihre schicken Schlüpfer, die unter dem zu kurzen Kittel heraus stechen. Heute in rosa Neonfarbe. Passend zu ihrer wirklich schönen Hautfarbe. Mira schaut über ihre recht Schulter und ich habe fast den Eindruck, dass sie ihren Hintern noch etwas anhebt. Die anderen Mädels sehen das und lachen laut. "Ich komme etwas später", sagt Joana. Damit wird sich heute die Heimreise erübrigen. Ich gehe direkt aufs Zimmer und schaue nach den Stellenangeboten. Als Joana kommt, bin ich schon eingeschlafen.
Geschrieben von BeyerKH
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Samstag, 2. Januar 2021 06:40
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Tag 41Tag 41
Gut ausgeschlafen und erholt, stehen wir mit dem Weckgeräusch unseres Telefones auf. Joana geht ins Bad und ich setze den Kaffee an. Der Fernseher läuft bei uns permanent mit unseren Filmen und wir schlafen auch dabei. In den Personalunterkünften der Hotels gewöhnt man sich schnell ab, im Dunkeln zu schlafen. Der nächtliche Gang zur Toilette kann da mitunter schon in Räumen enden, die man am besten nie besucht hätte. Es ist Vier Uhr. In unserem Fernseher läuft gerade: "Rette sich wer kann". Ein sowjetischer Film zum Totlachen. Joana wundert sich im Bad über meine Lachgeräusche. "Pst", zischt sie. Um die Zeit, müssen wir etwas leise sein, meint sie. Gerade öffnet und schließt unser Nachbar seine Tür. Und das ist sicher lauter als mein Lachen. Joana ist fertig im Bad. Ich erledige das in unserem Personalzimmer. Das hilft sparen. Joana muss auf Arbeit gleich los. Zu ihrer Morgentoilette ist keine Zeit, wenn wir ankommen. Unseren Kaffee fülle ich wieder ab. Eine Flasche Wasser packe ich heute zusätzlich ein. Es kann los gehen. Auf der Hauptstraße im Ort in Richtung Reschen ist reger Verkehr. Ich frage mich, ob für den Lastverkehr wieder geöffnet ist. Es ist windig. Das wird ein schöner Spaß ab Mals. Wenn nicht vorher schon gesperrt ist. Bereits in Schluderns ist die Straße über den Reschen gesperrt. Die Polizei hat dieses Mal wirkungsvolle Sperreinrichtungen aufgebaut. Da ist kein Durchkommen mit einem Lastkraftwagen. Ein Straßenarbeiter warnt uns. Der Räumdienst arbeitet Oben. Wir sollen mit Wartezeiten und Behinderungen rechnen. Bis Mals ist Nichts zu sehen. Alles ist frei. In Mals stehen reichlich Schilder mit Umleitungen. Was soll das? Wir müssen übern Reschen. Also, geht's gerade durch. Der mehrmals abgeschobene Schnee bringt zwar etwas Schneeglätte, aber Ketten benötigen wir keine. Gestreut wird nicht. Das würde auch Nichts nützen. An einer Stelle mit Kreisverkehr, arbeiten noch zwei Räumfahrzeuge. Ansonsten ist Alles frei. Würden die Jungs nicht aller zehn Minuten räumen, hätten wir extrem hohe Wehen. Fünf Minuten Wind reichen, um an den Leiteinrichtungen, Wehen von einem Meter Höhe zu erzeugen. So stark ist der Wind auf der Heide. Im Wind drehen sich nicht mal die Scheibenwischer. Am See ist von all dem, nichts zu spüren. Totenstille. Keine Wehe. Keine Behinderungen. Auf dem See, sieht das ganz anders aus. Über das Eis fliegen irgendwelche Gegenstände. Um die Zeit sind das sicher keine Eissegler. Obwohl; bei den Fanatikern heutzutage..., ist Alles möglich. Etwas weiter Vorn sehen wir, was es ist. Tannenbäume. Vielleicht sind es die ausrangierten Bäume vom Fest. Nach dem Reschensee in Richtung Nauders, wird der Wind wieder etwas fester. Es gibt leichte Verwehungen. Bei Alfred brennt schon Licht und Dursun empfängt uns wie üblich. "Viel Wind heute. Oben schlimm?" "Nein. Alles ist frei. Die Jungs arbeiten gut." Dursun ist zufrieden und dreht gleich in das Foyer ab. Marlies ist auch schon da und wartet mit dem Kaffee auf Dursun. Der Gesichtsausdruck von den Beiden? Naja. Die Zwei haben etwas miteinander. Sie benehmen sich heute wie zwei Kindergartenkinder. Marlies hat Dursun, Rührei mit Speck gebraten. Und Dursun sitzt bei Marlies und schlemmert das Ei. Joana zwickt mich. Ich soll den Mund halten. Normal gebe ich bei so Etwas, kleine Kommentare wegen dem Speck. "Guten Morgen, Marlies!", rufe ich zu ihr. Sie hat schon unsere zwei Kaffeetassen in der Hand. "Der ist heute richtig frisch." Das soll heißen, wir sind zu zeitig da. "Wir nehmen den gleich mit hoch." "Ich habe auch etwas Schokoladenkuchen." "Wenn Du welchen übrig hast, gerne." Wir nehmen den Kaffee samt Kuchen mit hoch. Joana gibt mir das Küsschen, schnappt sich ein Stück Kuchen und geht schon wieder. "Bis heute Abend. Ich muss in die Wäscherei." Ich habe etwas Zeit und lege mich noch eine Stunde hin. Den Reschen runter, fahren, außer ein paar Profis, keine Autos. Es gibt keine Behinderungen. In Richtung Schweiz und Samnaun sind schon Touristen unterwegs. Der Winterdienst hat frisches Streugut verteilt. Das gibt wieder reichlich neue Frontscheibenreparaturen. Vor mir fährt gerade so ein Traktor ohne Spritzschutz. Wenn wir ihm die Rechnung für unsere Lackschäden präsentieren würden, wäre dieser Unhold schon restlos überschuldet und würde kleinlaut seine Versicherung anbetteln. Schlimmer noch. Er würde den Schaden bestreiten und Beweise fordern. Dabei dürfte er mit diesem Auto nicht mal am öffentlichen Verkehr teilnehmen. Statt in Libyen oder in einem anderen Kriegsgebiet damit herum zu kutschen, verlagert dieser Fahrer, Kriegsgebiete in Touristenregionen. Er beschädigt vorsätzlich das Eigentum anderer Menschen. Dazu gehört Einiges an Überheblichkeit. Im Paznauntal ist der Verkehr heute von frühem Lieferverkehr geprägt. Das sind aber keine Behinderungen. Im Gegenteil. Der Thüringer Bäcker steht vor der Tür der Bäckerei. Er sieht mich, winkt und fordert mich mit einer Geste auf, zu ihm zu kommen auf einen Kaffee. Ich lass mich nicht zwei Mal bitten. Er hat den Ladeneingang etwas gesalzen und vom Schnee befreit. Auf dem Personaltisch in der warmen Backstube, liegen ein paar Kostproben von Marzipanfiguren. Die hat Hermann hergestellt. "Probier ma!" "Schmeckt fast wie derhäm." Hermann hat die mit der Hand geformt. Das kann heute Keiner mehr. Wir schwätzen noch etwas von zu Hause. Hermann sagt, dass er kommende Woche mal nach Hause fährt. Seiner Mutter geht es schlecht. "Kannst Du mir auch een oder zwee Stolln mit reinschiem? Bestreichen tu ich den zu Hause." "Ich hab zweje da! Willste die?" "Mach'n Preis!" "Geb 'mer Zehne für's Stick." "Das's e Wort!" Wir trinken zusammen den ausgezeichneten Kaffee vom Hermann und ich nehme die zwei ziemlich großen Stollen mit. Mal sehen zu Hause, ob Hermann das kann. Ich bin mir ziemlich sicher. "Wenn ich noch ma nach Hause komm, gebsch Dir ma selbstgemachten Schinken mit." "Was? Du machst Schinken derhäm?" "No klor! Luftgetrocknet, nitritfrei. Sozusagen, sächs'scher Barma." "Bring mit. Das willsch probiern." "Mei Gutster, ich muss jetzt off Orbeid." "Wo bist'n grade?" "In Galdier an der Langlofbiste." "Ich weeß; bei Ruth un Mordin." "Das iss aber ni sicher un ziemlich deuer weng'n der Fohrerei." "Is klor. Mach's gud." Der Chef vom Hermann kommt gerade und grüßt freundlich. Hermann sagt ihm, dass ich die zwei Stollen mitgenommen habe. Darüber freut er sich. Um die Zeit, verkauft er sonst keine mehr an die Einheimischen. Tja, so viel zur christlichen Fastenzeit der Wertewestens. Permanent Kreuze schlagen und nebenbei, brasilianische Rumpsteaks fressen in der Fastenzeit. Gerade von Februar bis Ostern müssten die Stollen gut gehen. Stollen sind ein Fastengebäck. In Kappl sehe ich wieder Maria vor ihrem Hotel - Restaurant stehen. Sie grüßt und winkt ziemlich heftig mit den Händen. Ich fahr rechts ran. Maria kommt sofort zu mir gelaufen. "Der Wolfgang ist krank." "Wie krank...schwer oder leicht." "Wenn der einmal liegt, ist es schon etwas schwerer." Ich gehe mit rein. Die Jungs stehen schon in der Küche und bereiten Alles vor. Die grüßen alle freundlich: Zolt kommt gleich gelaufen. "Ich bin der Einzige, der sich im Kühlhaus auskennt." "Mein Gutster. Bereite einfach etwas mehr vor. Mach gleich die Einzelportionen auf und gebe das in einem GN." "Guter Tipp, danke." Wir trinken noch einen Kaffee. Wolfgang kommt gerade in die Küche. Der sieht wirklich krank aus. "Geh wieder ins Bett!", ruft Maria. "Kannst Du mir helfen, wenn's schlimmer wird?", fragt mich Wolfgang. "Bei Ruth ist aktuell wenig zu tun; höchstens am Wochenende. Das geht schon. Vor allem, zum Abendmenü." "Plane das mal mit ein", sagt Wolfgang. "Die Neuen kommen noch nicht so gut zurecht." "Und was macht Markus?" "Naja. Der ist nachmittags besoffen. Das geht nicht. Wie geht's Deinem Schnitt?" "Ich habe den Arzttermin vergessen. Ehrlich, ich bin nicht dazu gekommen. Die Tage muss ich das mit machen." "Ich ruf mal an, dass Du morgen früh kommst." "Danke, Wolfgang. Ich muss zum Dienst." "Mach's gut." Maria verabschiedet mich auch und Zolt gibt mir die Hand. Er wirkt etwas besorgt und überarbeitet. Nach Galtür fahre ich jetzt noch knapp zwanzig Minuten. Die Straße ist schön frei. In Ischgl wird eigentlich kein Straßendienst gemacht. Man möchte das winterliche Flair erhalten. In Galtür steht Kamil mit der Schneeschippe vor der Tür. Mira, seine Frau, hat einen Straßenbesen in der Hand. Sie poliert dein Eingang etwas nach. Gestreut wird grobes Salz. "Guten Morgen. Salz macht den Holzfußboden kaputt", sag ich den Beiden. Kamil antwortet mir in sehr gutem Deutsch: "Wir haben drinne im Eingang einen Bürstenabstreifer." Er wirkt etwas kurz angebunden. Damit ist mir Alles klar. Es ist auch nicht mein Holzfußboden. Nach meinen Erkenntnissen, putzen sich sowohl in Hotels als auch in Restaurants, die wenigsten westdeutschen Touristen die Schuhe ab. Sie amüsieren sich aber über die Hinweistafeln mit "Haxen abkratzen" oder klauen die auch bisweilen. Bei uns im Gasthof zu Hause, haben in Besatzungszeiten genau zwei Restaurantfüllungen mit Westdeutschen gereicht, um sämtliche Räuchermännchen, Pyramiden, Kleinschnitzereien und Tischschmuck verschwinden zu lassen. Und das Gesindel redet über die DDR. Irgendwie finde ich es gerecht, dass unsere chinesischen Genossen für dieses Klientel, erzgebirgische Schnitzkunst herstellen. Ich überbringe Ruth am Frühstückstisch einen Schönen Gruß von Wolfgang. "Er ist krank und fragt, ob ich ihm helfen kann abends." "Wir brauchen Dich nur zu Mittag. Dein Kuchen ist gut gegangen. Wir brauchen wieder welchen. Mach uns heute bitte drei Stück." "Die großen Bleche oder Gastronorm?" "Die großen bitte." Das sind dann sechs Eineintel Gastronorm. Beim Bäcker käme das um die einhundertachtzig Euro. Und das mit dem Risiko, keinen oder wenig Kuchen zu verkaufen. Heute backe ich einen Heidelbeerkuchen, einen Quarkkuchen und, ich staune über den Einkauf von Ruth, einen Rhabarberkuchen. "Kannst Du den?" "Das ist ein Sächsischer Nationalkuchen." "Hier wird der auch viel gegessen." "Aber Ihr schmeißt ein paar Rhabarberstücke in Euren gerührten Mürbeteig und fertig. Unser Sächsischer Rhabarberkuchen ist ein Kunstwerk:" "Dann mach ma!" Die Jungs schälen mir den Rhabarber. Ich koche wieder zehn Liter Patisseriecreme. Eigelb und Eiweiß haben sie mir endlich mal als Literware eingekauft. Wir müssen keine Eier trennen. Bei zehn Litern Creme brauche ich schon zwischen einem und zwei Liter Eigelb. Den Teig hat mir Emil schon fertig gemacht. "Der steht im Kühlhaus." 'Na,' denk ich mir, 'es wird nicht lange dauern und die können ihre Kuchen selbst backen. ' Die Früchte binde ich in einer Schüssel mit etwas Zucker, Salz und Mehl. So, die Bleche sind fertig. Eine dreiviertel Stunde hat das gedauert. Der Ofen ist eingeschaltet und wir warten auf Gäste. Nach einer Stunde haben wir genau vier Bratwürste verkauft. Angeblich Kalbsbratwürste. In der DDR säßen die Aufschneider alle im Gefängnis wegen dem fehlenden Kalbfleisch. Im Westen ist Betrug erlaubt. Dort hat das sogar System. Wir haben uns nicht daran gewöhnt. Ich kaufe nur Rohstoffe. Dem Personal habe ich heute echte DDR-Küche gekocht. Verlorene Eier mit Spinat und Salzkartoffeln. Ruth sagt, das wäre auch ein Tiroler Nationalgericht. Sonntags würden sie ein Schnitzel unter das gebratene Ei legen. Gebratenes Ei, wohl gemerkt. Kleine Unterschiede scheint es schon zu geben. Das Mittagsgeschäft ist fast fertig. Wie gewohnt, kommen zehn Minuten nach der Öffnungszeit, westdeutsche Kunden, die Essen wollen. Martin hat sie verjagt. Er war wütend ob dieser Frechheit. Durch die Tür hörte ich die gätschende Tante in ihrem schäbigen, versoffen wirkenden, Kölner Dialekt. Dagegen hat selbst der polnische Strich, feinstes Hochdeutsch auf der Zunge. Ich erinnere mich, wie die reagieren, wenn sie eine deutsche Ursprache, Sächsisch hören. Gegen Drei bin ich fertig mit dem Mittag. Martin gibt mir heute zwanzig Euro mehr. "Du musst ja auch tanken." Gegen die Spende habe ich Nichts. "Danke, Martin." Martin klopft mir auf die Schulter und sagt: "Dei Kuchen, spitze." Jetzt schwinge ich mich schnell ins Auto, um rechtzeitig bei Wolfgang zu sein. Maria empfängt mich schon. "Das Mittag lief gut mit den Jungs." "Ich bereite das Abendgeschäft mit vor und dann schauen wir." "Willste Kaffee? Haste Hunger?" "Mach mir bitte einen Liter Kaffee. Das reicht." Das Fleisch liegt noch unbearbeitet in der Küche zum Auftauen. Ich setze die Dämpfer auf sechzig Grad, verteile das Fleisch darauf, auch die Schnitzel und pochiere das ganze Fleisch durch. Zolt kommt mich kontrollieren. "Die Schnitzel pochierst Du auch?" "Nach dem Backen, bleibt dadurch die Panade knusprig. Das Schnitzel ist aber trotzdem schön saftig." "Das muss ich mir merken." "Das geht auch schneller zu backen." "Und die unpanierten Schnitzel?" "Die Farbe machst Du auf einer Seite. Das Schnitzel wird zart, saftig und Du musst sie nicht so hart klopfen." "Passt." "Wolfgang gibt Dir ein paar Hirschwürste mit. Hier." Wolfgang hat mir ein paar selbst hergestellte Hirsch - Kaminwurzn eingepackt. Sachsen sagen Knacker dazu. Er hat sie gut abgehangen und stark geräuchert. Geselcht, sagt man hierzulande. Gegen siebzehn Uhr stehen die erste Gäste draußen. Sie lesen am Kartenaushang. Maria kommt und schaut nach. "Ist hier schon geöffnet?" Offensichtlich haben die nicht gesehen, dass Maria ganztägig geöffnet hat. "Wir haben ganztägig offen; sehen sie?" Maria zeigt auf die ausgehangenen Öffnungszeiten. Der Aushang ist schon mal doppelt größer als die Speisenkarte. Wie scheint, sind die Fragenden, schneeblind. "Was gibt es heute als Tagesessen?" 'Aah', denke ich, 'sie wollen auch noch unser Personalessen haben.' "Abends haben wir kein Tagesessen", antwortet Maria. Das Telefon klingelt und Maria entschuldigt sich, weil sie den Anruf annehmen muss. Die Kartenleser sind gegangen. Maria ist zu teuer. Die Tageskarte vom Skizirkus Ischgl, nicht. Der Ansturm hält sich in Grenzen und dank unserer Vorbereitung, flutscht das Geschäft. Die Jungs schicken mich nach Hause. Zolt gibt mir einen Honeckerkuss. "Mach mir keinen Knutschfleck. Joana wird eifersüchtig." "Dann schick mal Joana vorbei!" "Du geiler Hund!" Maria steckt mir etwas Geld in die Tasche. "Soll ich die Hose runter lassen?" "Verschone mich! Fahr vorsichtig! Grüß Alfred!" Die Tiroler Frauen sind bei Bedarf, der Herr im Haus. Fast wie in der DDR. Wahrscheinlich hat Maria bei Alfred angerufen. Joana und Dursun stehen am Hoteleingang und warten auf mich. Wir gehen zusammen zu Marco. Marco hat uns ein paar Dessert mit gemacht. Creme Brulee. "Spar Dir das Feuer und geb mir bitte eine gute Schokosauce dazu." "Reichen Dir drei Cremes?" "Sicher. Ein Schnitzel wäre mir lieber." "Ich hab Polloschnitzel." "Hau mir eins rein, mei Gutster." Joana hat schon gegessen. Wir erzählen uns von den Tageserlebnissen und amüsieren uns beim Anblick unserer polnisch-ungarischen Bedienungen. Marco sagt, "Sie sind heute auf ein Extratrinkgeld aus." Die Röcke werden kürzer und die Ausschnitte tiefer. Wir verabschieden uns und wünschen Marco eine schöne Feierabendbeschäftigung.
Geschrieben von BeyerKH
in Zweiter Monat
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Mittwoch, 30. Dezember 2020 14:40
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Tag 40Tag 40
Jetzt könnte ich sagen, der Mittwoch beginnt wie jeder andere Tag mit einem Kaffee und etwas Süßem. Heute ist das leider nicht so. Wir werden durch Polizeigeräusche vor und im Hotel geweckt. Im Flur unserer Zimmer ist ein Mordspektakel. Ein Zimmer wird geöffnet und zwei Personen abgeführt. Alfred steht im Bademantel da. Er ist nicht mal dazu gekommen, sich anzuziehen. Auf der Uhr ist es halb Vier. Eigentlich könnte man sich jetzt umdrehen und weiter schlafen. Das ist nicht möglich. Es bleibt laut im Haus. Verhaftet werden zwei westdeutsche Hotelgäste. Sie haben sich während der Abwesenheit der Zimmerbewohner, deren Schlüssel an der Rezeption gestohlen und die Zimmer geplündert. Wahrscheinlich waren die Zwei schon am Packen. Ich koche uns den Kaffee, weil Joana eh gegen Fünf nach Unten geht. Sie weiß dann sicher mehr. Joana erzählte gestern schon von komischen, verdeckten Anschuldigungen. Einige Hotelgäste hätten ihr gesagt, dass ihnen Sachen fehlen. Allgemein wird das sofort den Zimmermädchen unterstellt. Vor allem, den ausländischen. Da auf den Zimmern sehr selten eine einheimische Kraft arbeitet, ist damit die gesamte Zimmermädchenbelegschaft gemeint. Ich möchte jetzt nicht in irgendeine Ausländer- oder Rassenmeinung verfallen, aber trotzdem feststellen, dass ich in Deutschland ausnahmslos von Deutschen und in Österreich, von Österreichern beschissen und beklaut werde. Ausländer bin ich in beiden Nationen als DDR - Bürger. Wenn wir den Westbesatzern etwas wegnehmen auf DDR - Gebiet, ist es eh unser Eigentum. In dem Fall, reden wir von einer Rückgabe. Ich frage mich eh seit geraumer Zeit, warum ausgerechnet BRD Touristen, Rabatte bekommen. Eigentlich gehört denen die doppelte Hotelrechnung unterbreitet. Sozusagen, als gesplittete Reparation für vergangene und aktuelle Raubzüge. Dabei dürfen wir auch die Entschädigungen für vergangene und aktuelle Massenmorde nicht vergessen. Beim Kaffeetrinken beschäftigen wir uns zweitrangig mit dem Thema. Joana ist aber gewaltig abgelenkt. Sie befürchtet einen gewaltigen Zeitverlust bei der heutigen Zimmerreinigung. Das wirkt sich sicher auch auf unsere geplante Heimreise aus. Wir packen unsere Sachen und gehen runter ins Foyer. Alfred ist mittlerweile angezogen. Er empfängt uns an der Rezeption. Die Polizisten fragen Alfred, ob wir mit der Sache zu tun hätten oder Zeugenaussagen machen könnten. Alfred verneint das. Der Gendarm schaut mich an und mir kommt es vor, als würde er mich mit einer Geste fragen: 'Weißt Du was?' Joana schaut er ähnlich an. Er lässt uns gehen. Alfred wünscht uns einen schönen freien Tag. Auf den Parkplatz vorm Hotel stehen sechs Polizeiautos. Die zwei Täter sitzen getrennt. Nach ihrer Verurteilung werden die Zwei endlich die Freudschen Gesetze kennen lernen. Ob sie damit resozialisiert werden, ist eine andere Frage. Bei uns kommt etwas Schadenfreude auf. Das hält an bis an den Reschensee. Von dort oben sieht man den Sonnenaufgang bedeutend früher. Bis jetzt ist er nur in Form eines hellen Striches hinter den Bergen sichtbar. Bis nach Hause, wird sich an dem Anblick nicht viel verändern. Um diese Zeit treffen wir kaum ein Fahrzeug. Die Straßen sind schön frei bis Mals. Ab Spondinig sind sie sogar trocken. Die Ausnahme ist wieder die Laaser Höhe. Joana greift wieder zum Türgriff. Das macht sie automatisch, wenn Schnee auf der Straße liegt. Die betreffenden Stellen sind ungefährlich. Einer der Naturnser Tunnel wird gereinigt und wir müssen eine Umleitung durch Staben fahren. Die Schranke vor der Einfahrt auf die Hauptstraße ist geöffnet. Endlich sind wir zu Hause. Wir treffen gerade unseren Nachbar, der immer so zeitig auf Arbeit fährt. Er ist ein Bauarbeiter. Normal ist er die ganze Woche nicht zu Hause. Mit der Europäisierung des Bauwesens, haben Bauarbeiter fast die gleichen Arbeitswege wie Saisonarbeiter. Das nennt sich europäischer Umweltschutz. Die Bauunternehmen der gleichen Branche dürfen sich jetzt europaweit zu Lasten der Arbeiter unterbieten. Unsere Wohnung ist nicht kalt. Wir haben die Heizung auf fünfzehn Grad gestellt. Es ist sogar wärmer. Obwohl unter uns niemand wohnt, scheint irgend Jemand unsere Wohnung mit zu beheizen. Von unseren Nachbarn sehen wir Keinen. Wir trinken einen Kaffee und essen ein paar Kekse dazu. Danach läuft Joana runter zu Antonia und klingelt. Die freut sich und erkundigt sich umgehend nach unserem Wohlbefinden. Zwei Briefe hat sie da und einer davon musste unterzeichnet werden. Ein Amtsschreiben. "Biste wieder zu schnell gefahren?", fragt Antonia. Joana kann das nicht beantworten. Sie weiß von Nichts und hat auch nichts bemerkt auf unseren Fahrten. Wir schauen schnell nach, ob wir irgend Etwas versäumt haben. Im Umschlag steckt irgendetwas Hartes. Es fühlt sich an wie eine Karte. Es ist die Bürgerkarte für Joana. Endlich. Die Angaben sind endlich auch angepasst. Joana hatte viele Jahre zwei Steuernummern und zwei Namen. Das gab unendlich viel Aufregung und Arbeit. In unserem neuen Zuhause werden die Unterlagen mit dem Mädchenname der Frau geführt. Nicht mit dem Ehenamen. Rein bürokratische gesehen, achtet Italien damit die Frauenrechte höher als die Besatzer der DDR. Dort wird eine Frau ihren Geburtsnamen mit der Heirat los. Jetzt überlegen wir, was wir mit unserem freien Tag anfangen. Wohin fahren wir? Wir einigen uns auf Verona. Dort waren wir schon eine Ewigkeit nicht mehr. In Verona gab es sogar mal einen Schluck DDR. Eine Wernesgrüner Bierstube. Zuvor war es ein Jahr lang eine Radeberger Bierstube. Ein Traum. Einmal im viertel Jahr, fuhr ich mit dem Zug von Zuhause nach Dresden in den Radeberger Bierkeller. Im Zuge der Rekonstruktion der Hauptstraße zu einer Fußgängerzone in Richtung Albertplatz, Dresden Neustadt, wurde eine Radeberger Bierstube eröffnet. Das war unser neuer Tempel. In Radeberg wurde das beste Bier der DDR gebraut. Mit der Westbesatzung der DDR wurde aus einem Kultbier, eine billige Brühe nach Weststandart. Ekelhaft. Bekannte, die in der besetzten DDR geblieben sind, erzählen mir, das Bier würde neuerdings in Polen gebraut. Zu solchen Taten sind nur gewissenlose Besatzer fähig. Arbeiter, die so einen namhaften Betrieb aufgebaut haben, könnten das nie. Die Fahrt nach Verona ist uns aus Zeitgründen nur auf der Autobahn möglich. Das sind von uns aus, fast zweihundert Kilometer. Verona ist als Tagesziel geeignet, weil unsere Autobahn direkt bis an die Stadt führt. Das Schönste an dieser Fahrt ist der eintägige Abschied von der Eintönigkeit des Schnees. Nach zweihundert Kilometern erwartet uns eine um zwanzig Grad wärmere Umgebung. Unsereiner könnte dort schon kurzärmelig herum laufen. Auf der Fahrt durch das Etschtal sehen wir links und rechts in den Bergen weiße Spuren in grünen Wäldern. Es sind die Skipisten von Südtirol und dem Trentino. Die Pisten vom Monte Baldo sehen wir schon ab Auer, einer Stadt im Unterland Südtirols. Bis nach Rovereto ist es ziemlich kalt, dunkel und stellenweise, gefährlich. Gelegentlich sehen wir eine Caribinieristreife. Auf dieser Fahrtroute scheint das mehr als notwendig. Mit der Ankunft in Affi wird die Dunkelheit des unteren Etschtales beendet. Mir scheint, es wird wärmer. Auf der Temperaturanzeige des Autos ist noch Nichts zu sehen. Jetzt müssen wir etwas aufpassen, weil wir ein Autobahnkreuz überqueren. Genau da ist der Abzweig nach Verona. Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder fahren wir die Strada Besciana rein oder wir nutzen die Autobahn ab Verona Nord, Interporto. Wir entscheiden uns für die Strada Bresciana. Die ist etwas ruhiger und erheblich gemütlicher. Irgendwie merke ich jetzt, dass ich lange nicht da war. Die Veränderungen in Verona sind atemberaubend. Komisch. Wir arbeiten und leben zwanzig Jahre in Norditalien und kennen uns dort nicht aus. Ich denke, das liegt an unserer Arbeit. Wenn wir in Sechs-Tage-Woche, früh gegen Fünf Uhr auf Arbeit fahren und dreiundzwanzig Uhr zurück kommen, bleibt wenig Zeit, das schöne Italien kennen zu lernen. Das gilt auch für die Sprache. Welcher Mensch kann nach zwölf Stunden Arbeit eine neue Sprache erlernen? Sicher kein Mensch. In dieser Zeit kann man such keine Freundschaften aufbauen. Man vereinsamt. Im Sozialismus sind solche Erscheinungen ausgeschlossen. In der DDR so und so. Wir fahren bis an den inneren Ring Veronas über den Corso Milano. Und schon sehen wir die herrliche Stadtmauer und seine Bastionen. Wir fahren die Stradone Porta Palio ab, weil wir uns erhoffen, dort einen günstigen Parkplatz zu erhaschen. Schließlich wollen wir unbedingt den Platz um die Arena erreichen. Gegenüber vom Castelvecchio finden wir ein Plätzchen. Nicht billig, aber zumindest so lange benutzbar, wie wir wollen. Die Stunde kostet fünfzig Cent und für Verona geben wir das gern. Den Parkschein ziehen wir nicht an einem Automaten, sondern den verkauft uns ein freundlicher, uniformierter Parkplatzwächter in gehobenem Alter. Er spricht Deutsch mit uns. Woran sieht dieser Veronesi, dass wir Deutsch sprechen? Das bleibt uns ein Rätsel. Jedenfalls antworte ich ihm in dem Italienisch, das ich beherrsche und ernte dafür Komplimente. Ich ärgere mich immer wieder, dass wir einfach zu wenig Zeit haben, diese wirklich schöne Sprache ergiebig zu lernen. Vielleicht gelingt uns das im Rentenalter. Aber nur, wenn sie uns vor unserem Tod, auch wirklich eine Rente zahlen und zugestehen. Bei der aktuellen Entwicklung habe ich eher den Eindruck, wir müssen neunzig Jahre alt werden, um in den Genuss einer Rente zu gelangen. Ich frag mich gerade, wer uns dieses Geld stiehlt. In der DDR hat es jedenfalls gereicht. Und gerade die DDR - Bevölkerung bekommt ja von den Westplünderern vorgeworfen, dass sie nicht rechnen könnten. Offensichtlich bestätigt sich gerade das Gegenteil. Aktuell haben wir in Verona etwas um die fünfzehn Grad. Uns kommt das vor wie Sommer. Gegen Mittag wird es sicher wärmer. Wir schlendern durch die sehr schönen Gassen und bemerken, dass einige Kettenunternehmen das Stadtbild beherrschen. Wenn ich einkaufen will, kann ich also, europaweit, in allen Städten, bei einer Handelskette einkaufen. Und genau diese Behinderten verleumden die DDR, ihr Markenangebot und die landesweit einheitlichen Preise. Verona war bekannt für feinste Manufakturen. Angefangen bei Schuhen und geendet bei wirklich feinen mechanischen Aufschnittmaschinen. Alle diese Produkte hielten ein Leben lang. Fast wie DDR Kaffeemaschinen. Genau die, werden eben auch in Verona hergestellt. Wir genehmigen uns ein Eis, das mit Zucker hergestellt wird und nicht mit Glucose. An einem Messergeschäft der dazugehörigen Manufaktur, kommt ein Koch sofort ins Schwärmen. Mit einem Blick in die Geldbörse, ist dieser Traum sofort beendet. Die zwei schönen Verkäuferinnen in dem Geschäft sind diesen Gesichtsausdruck von Vorbeigehenden gewohnt. Durch die Gassen gehen meist Bustouristen aus den Skigebieten und anderen Urlaubshochburgen. Mittels Tagesreisen werden die Touristen in die sehenswerten Städte gekarrt. Für die Mahlzeiten halten diese Busse eher vor einem Mac als vor einem italienischen Restaurant. Wir bevorzugen italienische Imbissbetriebe. Die sind unschlagbar. Für den Besuch eines Restaurants, verdienen wir einfach zu wenig. Kurz nach Mittag haben wir unseren Stadtrundgang beendet. Jetzt sind es achtzehn Grad. Das wünschen wir uns im Sommer oft als Schattentemperatur. Auf dem Nachhauseweg versuchen wir, das Wernesgrüner Bierstübl zu finden. Wir sehen es nicht. Schade. Der Hunger greift langsam um sich und wir bemühen uns, einen Imbiss zu finden. Und schon steht sie vor uns. Eine Paninotheca. Ohne aus dem Auto auszusteigen, sehen wir schon im Fenster die Riesenpaninos liegen. Die Auswahl scheint grenzenlos. Wir sehen Panini, die locker einen achtundzwanzig Zentimeter großen Teller ausfüllen. Und was verlangt jetzt ein Gast? Natürlich ein Panino mit Parma- oder San Daniele - Schinken. Ich gehe ans Fenster. Joana bleibt sitzen. Kaum äußere ich einen Wunsch, schnappt sich der Wirt ein Riesenpanino und schneidet, schneidet, schneidet ohne aufzuhören. Er fragt mich: "Du deutsch?" "Io come della DDR." "Aaah, communist Germania?" "Si, Si. Vivo in Alto Adige da molto tempo." "Soso, migrante!" "Sono un cuoco e lavoro lì da vent'anni." "Allora hai poco tempo libero" "Si, Si." Er schneidet eine Extraportion Schinken auf das Panino. Für Joana auch. "Bella donna. Lei è tua moglie. Complimento!" "Grazie!" Für ein Panino wollte er Fünf Euro Sechzig. Für die Zwei gab ich ihm Fünfzehn. "Il resto è una mancia." Er greift hinter sich und gibt mir eine kleine Flasche Trentino Vino Santo. Ein köstliches Gesöff. Wir verabschieden uns und er wünscht uns, dass wir wieder einmal bei ihm vorbei schauen. Joana fragt mich im Auto, was ich denn so viel mit ihm geredet habe. Ich habe ihr das Kompliment für ihre Schönheit weiter gegeben. Sie wird etwas verlegen. Ich glaube, sie hat das gehört und wollte das nur mal von mir bestätigt haben. Ich sage es ihr einfach zu selten und freue mich heimlich, dass ich es übersetzen durfte. Ehrlich gesagt, muss ich mir das etwas zusammenreimen, weil ich nur die Hälfte verstehe. Mittlerweile ist es Vierzehn Uhr. Die Zeit ist günstig, sich aus Verona zu verabschieden. Zurück fahren wir über den Anschluss Flughafen. Der ist wie eine Autobahn gebaut und auch relativ früh, mautpflichtig. Wir fahren mit Telepass und haben selten zu warten. Mit der Maut werden die Fahrtkosten für Autobahnen, verdoppelt. Wir benutzen die Autobahn deshalb nur, wenn wir es wirklich eilig haben. Auf der Heimfahrt fallen uns die vielen osteuropäischen Autonummern an den Lastwagen auf. In sehr seltenen Fällen, sehen wir italienische oder westeuropäische Nummern. Und selbst in diesen Fahrzeugen sitzen keine Fahrer aus den Ländern, welche auf dem Nummernschildern zu sehen sind. Wir stellen fest, dass diese Länder ohne den versklavten Osten, nicht mehr existieren könnten. Die Heimreise ist ziemlich eintönig und wird nur gelegentlich von einigen ganz Eiligen belebt. Als Ausländer halten wir uns ziemlich genau an die Vorschriften. Unsere Polizisten können via Nummer ermitteln, wer da drinnen sitzt. Wir wollen nicht unbedingt die Großzügigkeit unserer Gastgeber überstrapazieren. Gegen achtzehn Uhr sind wir zu Hause. Eine Pizza ist nach dem Panino nicht mehr nötig. Wir gehen zeitig zu Bett. Schließlich beginnt unser Morgen, vier Uhr.
Geschrieben von BeyerKH
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Samstag, 26. Dezember 2020 03:42
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Tag 39Tag 39
Joana weckt mich, gibt mir einen Kuss und geht. Der Kaffee ist schon fertig und ein Brötchen liegt auch noch da. Das reicht für den Tag. Allgemein esse ich am Tag nur einmal. Je früher, desto besser. Das viele Probieren und Kosten tagsüber, macht eine vollwertige Mahlzeit überflüssig in unserem Beruf. Als Erstes gehe ich runter zu Marco. Der ist noch nicht da. Maria bringt mir einen Kaffee. Ich sage ihr nicht, dass ich gerade vom Kaffeetrinken komme. Alfred kommt und fragt mich, ob es mir bei Ruth immer noch gefällt. Nebenbei richte ich ihm den Schönen Gruß von Ruth und Martin aus. Irgendeinen Grund hat er, warum er mich fragt. Ich frage ihn nicht danach. "Jetzt kommt die ruhigere Zeit." "Naja. Das ist gut so. Die Kollegen wollen auch mal frei haben. Ich schätze, dass da einige Tage zusammen gekommen sind." Die Unternehmerschaften vergessen das leicht. "Haste Recht. Das wird jetzt trotzdem schwierig. Die Kollegen wollen die freien Tage zusammenhängend. " "Bei Dursun, der nur halbe freie Tage bekommt, wird sich das eine gute Woche hinziehen." Ich reize Alfred etwas. Irgendwann muss er sich eh um einen zweiten Hausmann bemühen. Den Schlag auf den Hinterkopf hat er verstanden. "Ich suche schon die ganze Zeit einen zweiten Hausmann. Langsam werden unsere Anforderungen immer höher." "Die Preise aber auch." Alfred lacht: "Du Schlawiner!" "Ich muss los. Bis heute Abend." "Machs gut." Alfred habe ich mit meinem Sächsisch schon etwas angesteckt. Er redet das schon fast fließend. Maria gibt sich noch Mühe. Sie lacht immer, wenn ich etwas sage. Maria spielt oft den Dolmetscher und sagt mir, wie das jeweilige Wort, tirolerisch gesprochen wird. Das ist schon auch wichtig. Vor allem, wenn ich verstehen möchte, was Leute um mich herum in Mundart sprechen. Den Reschen runter in Richtung Pfunds gab es keine Probleme. In Pfunds selbst, stand eine Gendarmenkontrolle, die mich anhielt: "Sie haben den DDR Führerschein. Gilt der noch?" "Sie sind der Gendarm. Ich kann Ihnen das schlecht sagen. Ich weiß nur, dass ein Führerschein noch nicht verfällt." Im Grunde kann man in dem System nicht sagen, was deren Vertretern morgen einfällt. Es ist nicht das erste Mal, dass ich deswegen solche Fragen beantworten soll. "Wohin fahren Sie?" "Ich möchte auf Arbeit zu Ruth und Martin." "Achso. Sag bitte einen Schönen Gruß." "Mach ich. Bis bald." Ich bemerke, dass in Österreich besonders gern Fahrer mit italienischen Autonummern angehalten werden. Der einheimische Arbeiterverkehr fährt an mir vorbei und deren Fahrer lächeln mitunter. Dabei wissen fremde Köche, wie besoffen ihre österreichischen Kollegen auf Arbeit ankommen. Bei uns in Südtirol ist das nicht viel anders. Ausländer sind gut beraten, sich da nicht einzumischen. Bei Wolfgang und Maria wollte ich noch mal vorbei schauen. Die Zeit dafür habe ich. Maria steht an der Rezeption und Wolfgang in der Küche. Wolfgang war über die Feiertage nicht zur Jagd. Er hat genug Reserven. Er steht allein in der Küche mit einem Kollegen, der gerade aus dem Kühlhaus kommt. Es ist Zolt. Er fällt mir fast um den Hals: "Die Saison war schlimm dieses Jahr." "Seid Ihr jetzt zu Zweit?" "Nein. Ein Neuer kommt etwas später. Wir bereiten nur vor." "Und Markus?" "Die sind auch zu Dritt in der Hütte. Die haben mehr zu tun als wir in diesem Jahr." Wir trinken noch einen Kaffee zusammen, schnattern etwas über die Feiertage und die Familien. Es wird Zeit, sich zu verabschieden. Wolfgang freut sich, dass ich bei Ruth arbeite: "Der Platz bei Ruth ist sicher aber für sehr wenig Geld." Oje, dieser Rat war ja fast schon tödlich. Ich sage dazu nichts, weil sich jede Äußerung, im Tal sofort herum spricht. Irgendwie erklärt sich da auch das stumme Wesen der Tiroler. Wenn Einer etwas sagt, weiß es am Tag darauf, der ganze Ort. Der Gag ist eigentlich, dass die Einheimischen gerade die DDRGastarbeiter bezichtigen, besonders redselig zu sein. Ich komme bei Ruth und Martin an. Die jungen Kollegen sind schon da und beim Frühstück. Wie ich von Ruth erfahre, gibt es heute als Tagesessen: Tortellini und Leberkäse mit Ei und Püree. 'Da hab ich wenig zu tun', denke ich mir. Irrtum! Ruth verlangt von mir, dass ich drei Strudel und mindestens drei Blechkuchen backe. Dabei zeigt sie auf die großen Bleche. Der Backofen vom Herd hat hoffentlich Umluft. Sonst muss ich jedes Blech einzeln oder sechs Bleche im Dämpfer backen. Und da würde mir die Jugend aufs Dach steigen. Ich frage Ruth und sie gibt mir eine positive Antwort. Der Backofen hat Umluft. Ich kann zwar alle Bleche mit einem Mal schieben, muss sie aber trotzdem umhängen. Backöfen sind mit Ober- und Unterhitze ausgestattet. Das ist manch Mal eben zum Vorteil und das andere Mal, zum Nachteil. Strudel backe ich Ruth vier Stück. Das geht etwas besser in den Gastronormbehältern. "Ihr seid heute zu Zweit", sagt Ruth noch. Offensichtlich ist Jan und seine Danka nur da, um etwas Geld abzuholen. Sie wollen Einkaufen gehen. Martin macht heute Zahlmeister zum Lohntag. Er sitzt mit der Brille am Frühstückstisch und hat einen Haufen Lohnunterlagen dabei. Ich hab mich schon gewundert. Alle wirken heute besonders freundlich und locker. Den Teig setze ich heute gleich mit der Maschine an und gebe ihn zum Ruhen ins Kühlhaus. Während dessen, schäle ich die Äpfel und schneide sie gleich um das Kerngehäuse in Stücke. Die Stücke lasse ich durch die feine Scheibe der Küchenmaschine. In der Schüssel würze ich die Scheiben mit gemahlenem Zimt, gemahlener Nelke, Zucker, Zitrone und einer Prise Salz. Ruth hat, "Gott sei Dank", alle Gewürze gemahlen da. Sonst hätte ich sie erst mahlen müssen. Emil kommt mit seiner Vorbereitung gut vom Fleck. Er braucht keine Hilfe. Ich such mir in der Küche einen Platz, an dem ich den Teig ausrollen kann. Emil zeigt ihn mir. Er ist etwas zu gebaut mit Geschirr. Und siehe da. Es ist ein Marmorarbeitstisch."Den Tisch habt Ihr lange nicht gebraucht", sage ich zu Emil. "Nein. Wir haben Strudel und Kuchen vom Bäcker kommen lassen. Dein Vorgänger konnte nicht backen." "Ich hatte einen Vorgänger?" "Ja. Der hat die Arbeit nicht geschafft und hat laufend durchgedreht. Letzte Woche hat er geschmissen." "Ist Topfen im Haus?" "Der ist gestern frisch gekommen." Na dann, geht es ziemlich schnell. Ich backe auch gleich ein - zwei Quarkkuchen mit. Einen als Eierschecke und den anderen als Kirmes. Für die Apfel- und Quarkkuchen setze ich noch eine Konditorcreme an. Das reicht. Von der Creme mach ich gleich etwas mehr, weil ich die für die Quarkkuchen mit nutze. Jetzt, bevor ich die Kuchen auflege, schalte ich den Backofen ein und heize auch den Dämpfer vor. Emil ist schon fertig mit seinen Sachen. Er ist schnell und routiniert. Das mit dem Dämpfer, hat er von mir abgeschaut. Den Quark kann ich gleich mit einer sehr guten Handrührmaschine in einem doppelt großen Kübel würzen und umrühren. In einem Topf oder Eimer macht das zu viel Krach und es schadet der Maschine. Für die Kuchen samt Strudel habe ich jetzt eine und eine halbe Stunde gebraucht. Ich bin aus der Übung. Das ging schon mal schneller. In einer Stunde und zehn Minuten ist alles fertig gebacken. Ich hoffe doch, dass unsere Gäste etwas abbekommen. Die Kuchen sehen gut aus. Wenn das Joana sehen würde. Ich muss fragen, ob ich ihr ein Stück mitnehmen darf. Zu Mittag verkaufen wir etwas um die zweihundert Portionen mit den Arbeiteressen. Das ist wenig. Martin fragt laut, wo die Gäste sind und wird schon etwas zerrig. Er gießt sich einen Obstler ein und schluckt den mit einem Ruck weg. Danach herrscht Ruhe. Kamil, unser Abspüler, macht inzwischen die Teller für die Jause fertig. Mira, seine Frau, setzt die Kaffeemaschine an. Der Betrieb funktioniert wie geschmiert. Das Team arbeitet sicher schon ein paar Jahre zusammen. Ruth kommt in die Küche und zeigt mir, wie groß die Kuchenstücke portioniert werden. Jetzt weiß ich, warum sie drei große Bleche braucht. Martin drückt mir meinen Tageslohn in die Hand und wünscht mir einen schönen freien Tag. Sie haben meinen freien Tag nicht vergessen. In manchen Betrieben muss ich für einen freien Tag, zwanzig Mal betteln. Ich bin positiv überrascht. Sechs Stunden Arbeit in Sechs-Tage-Woche, ergäben eine Wochenarbeitszeit von sechsunddreißig Stunden. Nur vier Stunden mehr pro Woche und ich wäre vollbeschäftigt. Vielen Leuten ist nicht im Geringsten klar, was eine Arbeitszeit von sieben bis vierzehn Uhr und von siebzehn bis zweiundzwanzig Uhr bedeutet in einer Sechs-Tage-Woche. Neben vier Arbeitswegen, ist das zwei Mal, schwere Arbeit an einem Tag. Ich habe viele Kollegen, die halten das keine zehn Jahre aus. Kollegen, die das dreißig Jahre lang tun, sind dreißig Jahre lang, Leistungssportler. Profileistungssportler bekommen dafür, in der gleichen Zeit, mehrere Millionen an Gage. Auf meinem Weg nach Nauders, treffe ich im Paznauntal schon reichlich Arbeiterverkehr in Richtung Landeck. Diese Leute fahren routiniert und zügig. Es gibt kaum Behinderungen oder Stau. Viele biegen unterwegs ab. Sie kommen aus den kleinen Ortschaften im Paznauntal. Um in diese Ortschaften zu gelangen, muss man gut fahren können. Das ist in allen Alpentälern gleich. Gelegentlich sehe ich ein paar Touristen. Meist sind es holländische Nummern. Dieses Mal fahre ich durch den Tunnel. Die Luft drinnen ist etwas klarer als an den Feiertagen. Nachmittags ist wenig Lieferverkehr zu sehen. Langsam scheint sich die Lage zu entspannen. Bis nach Nauders komme ich heute ohne jegliche Behinderungen. Nauders hingegen scheint sich langsam mit Holländern zu füllen. Ich sehe auch ein paar italienische Landsleute. Heute steht Alfred vor dem Hoteleingang. Ich frage ihn, ob er heute Gepäckträger ist. Er lacht. "Bisweilen würde mir das gut tun; die Bewegung, meine ich." "Im Gasthof meiner Eltern habe ich das getan." "Und; hat es sich gelohnt?" "Bei dem Besatzervolk, nicht." "Und bei den Anderen?" "Da schon. Es waren sehr viel bekannte Künstler dabei. Die waren aber mitunter in ihrem Freizeitverhalten sehr anstrengend für mich." "Das glaub ich sofort. Trinken wir noch einen Verlängerten?" "Gerne. Ich hab zwei Stück selbstgebackenen Kuchen mit. Eins können wir fressen." "Den haste für Joana mitgebracht, oder?" "Ja." "Die Joana braucht den mehr als ich." Dabei greift er sich auf seine Taille. "Mit Fressen mein'ste sicher, dass er gut geworden ist." "Aber sicher!" "Ich nehm'ne Ecke. Scheiße; der ist gut! Back den mal für mich morgen!" "Da brauch ich Topfen. Den muss Marco da haben." "Wenn nicht, hol ich den selbst." "Na dann. Bis morgen." "Gute Nacht!" Joana ist schon auf dem Zimmer und wartet auf mich. "Wollen wir fahren?" "Wie wird morgen das Wetter?" Wir schauen schnell nach und müssen feststellen, dass Niederschläge angekündigt sind. Also, bleiben wir da. Joana freut sich auf den Kuchen und wundert sich nicht, dass er etwas angeknabbert ist. "Das war Alfred, oder?" Wir schauen noch zwei Filme, von denen ich, einen nicht ganz schaffe.
Geschrieben von BeyerKH
in Fortsetzungserzählung, Zweiter Monat
am
Mittwoch, 23. Dezember 2020 01:34
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